In Kooperation mit Hollybush Gardens (Various Others 2019)

Andrea Büttner bei Barbara Gross Galerie, München

Andrea Büttner, 2019, Ausstellungsansicht, Barbara Gross Galerie, München | Wilfried Petzi

Barbara Gross Galerie

Theresienstraße 56, 80333 München
Deutschland

KünstlerIn: Andrea Büttner

Datum: 14. September – 31. Oktober 2019

Fotografie: Courtesy the artist, Barbara Gross Galerie & Hollybush Gardens | Foto: Wilfried Petzi

Ausstellungstext:

Zu Various Others 2019 kooperiert die Barbara Gross Galerie mit Hollybush Gardens und zeigt zeitgleich mit der Londoner Galerie eine Ausstellung von Andrea Büttner. Drei Serien großformatiger Holzschnitte und Farbradierungen sowie eine neu geschaffene Wandarbeit stehen im Zentrum der Präsentation. Mit klaren künstlerischen Gesten schafft Andrea Büttner einen Raum, in dem die Themen Armut und Scham, aber auch das Schaffen, Zeigen und Bewerten von Kunst reflektiert werden.

Die Holzschnitte der Serie Beggars gehen auf Andrea Büttners intensive Beschäftigung mit Armutsdarstellungen in der Kunst zurück. Sie zeigen eine stark vereinfachte, verhüllte Figur in gebeugter Haltung mit ausgestreckten Händen. Das Motiv basiert auf einer Skulptur von Ernst Barlach, in der Büttner die Ikonographien von Armut und Scham wie in keinem anderen Werk verbunden sieht. Trotz ihrer Körperhaltung strahlen die grob geschnitzten Bettlerinnen eine gewisse Würde aus. Büttner formuliert in ihnen auch die Figur des Künstlers und der Künstlerin, die sich dem Publikum mit ihrer Kunst aussetzen und auch als Produzent*innen rezeptiv bleiben.

In Büttners konzeptueller künstlerischer Praxis, die auch Videoarbeiten, Bücher und Fotografien umfasst, nimmt der Holzschnitt eine besondere Rolle ein. Die Künstlerin wendet sich dem Medium in den von Postkonzeptualismus und Institutionskritik geprägten 1990er Jahren zu, gerade weil es als "uncool" gilt und knüpft damit in kritischer Auseinandersetzung an eine kunsthistorische Linie an, die vom Mittelalter über den Expressionismus bis hin zur Kunst der Nachkriegsmoderne führt. Der Holzschnitt erlaubt es der Künstlerin in einem reproduktiven Medium, Werke von großer physischer Präsenz zu schaffen, die die Betrachter*innen in ihrer reduzierten Formensprache direkt ansprechen.

Von einer Körperlichkeit ganz anderer Art sind die Werke der Serie Phone Etchings. Für die großformatigen Farbradierungen überträgt Andrea Büttner die Spuren, die ihre Finger bei der Suche im Internet auf der Oberfläche ihres iPhones hinterlassen haben, stark vergrößert auf eine Radierplatte und druckt sie in verschiedenen Farbvarianten. Die so aufgewerteten fettigen Fingerabdrücke, werden zu Gesten einer unsichtbaren „Amateurmalerei“, die jede*r einzelne von uns unbewusst täglich praktiziert. Entstanden zu einer Zeit, als der sogenannte „Zombie-Formalismus“ seinen Höhepunkt erreicht und informelle Malerei junger Künstler Höchstpreise erzielt, können sie auch als ironisierender Kommentar auf den Kunstmarkt gelesen werden. Auf ganz unterschiedliche Weise thematisieren die Phone Etchings wie auch die Beggars den Gebrauch unserer Hände als Mittel der Kommunikation.

In der Ausstellung präsentiert Andrea Büttner die Phone Etchings erstmals auf einer mit senfgelbem Veloursteppich bespannten Wand. Der quasi in die Vertikale gekippte Boden bricht die Strenge des White Cubes zugunsten eines intimen Raumgefühls auf. Wie die bunten Baumwollstoffe, die Büttner für ihre bekannten Fabric Paintings verwendet und die üblicherweise für die Herstellung von Arbeitskleidung verwendet werden, transportiert auch der Teppich einen weiteren lebensweltlichen Kontext.

Ergänzt wird die Ausstellung durch zwei Holzschnitte, für die sie zerlegte Klaviere als Druckstöcke verwendet. Entgegen der hauptsächlich männlich geprägten Tradition von Klavierzerstörungen in der Kunst seit Fluxus, nutzt die Künstlerin die Fragmente in einem produktiven Sinne und stellt mit ihren Piano Holzschnitten den destruktiven Gewaltakten eigene Bilder von abstrakter Schönheit gegenüber.