A Hairy Line. Eine Komplizenschaft von Katrin Plavčak und Kata Tranker

A HAIRY LINE

Kunstverein Eisenstadt, Joseph Haydn-Gasse 1, 7000 Eisenstadt

Beteiligte Künstler_innen: Katrin Plavčak und Kata Tranker

Titel: A Hairy Line

Datum: 14. September 2020 bis 06. Dezember 2020

Ausstellungstext

Katrin Plavčak und Kata Tranker entwerfen eine Zukunft, in der die Grenzen zwischen den Spezies durchlässig werden. Entlang einer haarigen Linie begegnen sich im Kunstverein Eisenstadt phantastische Malereien und anthropomorphe Skulpturen und bevölkern die Ausstellung mit archaischen Mischwesen. Mit seiner Serie KOMPLIZENSCHAFT präsentiert der Kunstverein jeweils zwei künstlerische Positionen, die sowohl der lokalen Grenzposition im Burgenland ent sprechen, als auch aus unterschiedlichen Denk- und Handlungsweisen ein gemein sames, komplizenhaftes Konzept entwickeln. Anstelle von Einzelkämpfern und Ich-AGs treten neue Formen der Zusammenarbeit, die das »Mit« der Mittäterschaft aus der Perspektive der Kunst erproben. Anlass für diese von Barbara Horvath konzipierte Ausstellungsserie sind die Herausforderungen der neuen Arbeitswelt – vieles wurde durch die digitale Transformation und postfordistischen Strukturen erleichtert, ebenso vieles wurde komplizierter. Soziale Gefüge verändern sich und damit die Qualität von zwischenmenschlichen Beziehungen. Die gemeinsame Ausstellung der österreichischen Künstlerin Katrin Plavčak (*1970 Gütersloh / D) und der ungarischen Künstlerin Kata Tranker (*1989 Székesfehérvár / H) ist bereits die zweite grenzüberschreitende Komplizenschaft des Kunstvereins. Eine weitere, als Brückenschlag in die Slowakei, ist für Dezember 2020 geplant.

Was wäre, wenn alle Organismen, ein schließlich des Menschen, miteinander verwoben wären? Was wäre, wenn es eine Verbindung gäbe, die es uns erlaubte, füreinander zu sorgen, die es uns erlaubte, die Ökosysteme des Planeten zu retten und ein Weiterbestehen der Arten zu ermöglichen? Katrin Plavčak und Kata Tranker nehmen diese Fragen als künstlerischen Ausgangspunkt und entwerfen in farb- und form-imaginativen Szenarien ungewöhnliche Symbiosen. Es ist gleichsam die Dämmerung einer »sich-verwandt- machenden Welt«, ein im Sinne der Philosophin Donna Haraway Agieren und Reagieren aufeinander entlang einer phantasiereichen Verbindungslinie.

Dabei entwickeln die Künstlerinnen eine »Praxis des Lernens«, die es ihnen ermöglicht, einander quer durch Genres, Medien und Materialien zu spiegeln. Gemeinsam entsteht ein mythologisch inspiriertes, archaisches Tier- und Pflanzenuniversum, dessen kombinatorische Möglichkeiten ans Unendliche grenzen. Gemalte Geschöpfe positionieren sich dabei vor kitschigen Sonnenaufgängen. Mit einem Körbchen voller Eier in der Pfote lugt eine Ratte zu siamesischen dreiäugigen Hühnerzwillingen hinauf. Rechts davor, ebenfalls in Grau gemalt, kauern vor einem Baum, eng beieinander zwei Affen. Eine andere Leinwand ziert ein einziges monsterhaftes Auge, das zu weinen scheint. Humpty Dumpty ist von der Mauer geklettert und erscheint tänzelnd in der Konditorei Aida. Ein herzförmiges Wesen wurzelt tief unter der Erde. Um dieses phantastische Bestiarium zu erweitern, tauchen antike Mischwesen als erstarrte graue Götzenfiguren auf mit lila Seide überzogenen Podesten auf. Ein zarter humanoider Affe reitet auf einem hundeähnlichen Macaca mulatta (Rhesusaffe), während der Pappmaché-Wölfin mit dem menschlichen Gesicht die säugenden Kinder abhandengekommen sind. Seltsam wächst zudem aus Köpfen mit Ohren und Augen wildwucherndes Gestrüpp. Die aus Wasser, Papier und Kleister hergestellten Skulpturen sind eine Kombination von Elementen, die realen Geschöpfen entnommen sind. Die fast unmerkliche Überschreitung des Realen, die Obsession der Verdopplung, die Wandlung in imaginäre Wesen, die von den Künstle rinnen gezeigt werden, spiegeln die innere Welt menschlicher Phantasien, Träume und Ängste. Sie sind höchst originell erdacht und stellen ein Pastiche aus Quellen, Stilen, literarischen Genres, Kulturen, mythologischen Geschichten dar. Es macht Spaß, sie anzuschauen, aber sie sind gleichzeitig erschreckend befremdlich.

Im künstlerischen Universum tummeln sich von je her menschliche, tierische und anders-als-menschliche Wesen. Sie stellen sich dem Versuch, artenübergreifend, jenseits geschlechtlicher Zugehörigkeit, in wilden Formen, Farben und Kombinationen zu wachsen. Diese Kreaturen verschwinden, wenn sich niemand um sie kümmert. Tatsächliche Lebewesen – von dem kleinsten »reitenden Urzwerg«- Bakterium bis hin zum langweilig anmuten den Hallimasch, dessen unterirdisches Wurzelgeflecht, sich über viele Hektar er streckt, sterben aus, während die Menschen damit beschäftigt sind, monströse Wachstumskurven zu vollziehen und die industrielle Umweltverschmutzung voranzutreiben. Ein fort währendes Überleben erfordert jedoch ein Lernen von den uns umgebenden Wesen und Welten, und wie Symbiosen gestaltet werden können.

Entlang einer haarigen Linie verflechten die Künstlerinnen humane und animalische Körper mit unterschiedlichen Zeitlichkeiten. Wir müssen reden, Let’s talk, steht da auf einer rosaroten Fahne in Comichafter Sprechblasen- Manier. Die Dinge geraten endlich utopisch.